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SkinnyTok Die reaktionäre Wende zeigt sich auch am Frauenkörper

Der gefährliche Trend zum superdünnen Frauenkörper ist zurück. Influencerinnen promoten ein „Skinny Girl Mindset“ und predigen Verzicht und Disziplin. In einer Zeit der reaktionären Wende ist der Trend zum dünnen Frauenkörper keine Überraschung. 

 
Unter Hashtags wie SkinnyTok propagieren Influencerinnen Dünn-sein und Hungern als gefährliches Schönheitsideal. (Quelle: Unsplash und Screenshot)

„Nothing tastes as good as skinny feels“ – also „Nichts schmeckt so gut, wie dünn zu sein“ – ein Zitat des Models Kate Moss von 2009 ist derzeit wieder das Motto vieler junger Frauen. Der Trend zum superdünnen Frauenkörper ist zurück. Besonders auf TikTok verbreiten junge dünne, normschöne Frauen unter Hashtags wie SkinnyTok oder Skinny Girl Mindset ihre Tipps für einen dünnen Körper. Der soll jedoch nicht primär durch Sport erreicht werden, sondern durch Hungern, durch Verzicht. Losgetreten hat den Trend vermutlich die Content-Creatorin Liv Schmidt, deren TikTok-Kanal seit letztem Jahr gesperrt ist.

War es das nun mit Body Positivity?

In den vergangenen Jahren fand ein regelrechter Fitness-Boom statt, der einen gestählten, muskulösen Körper bei Frauen und Männern glorifizierte. Glatte Rundungen galten am weiblichen Körper als schön. Der pralle Hintern von Stil-Ikone Kim Kardashian wurde zum Beautytrend. Schönheitsoperationen, um den weiblichen Hintern zu optimieren, wurden auch in Deutschland immer beliebter.

Gleichzeitig erlebten wir einen Trend zur generellen Akzeptanz des eigenen Körpers, der unter Body Positivity firmierte. In der Body-Positivity-Bewegung geht es darum aufzuzeigen, dass alle Körper schön sind, unabhängig von bestimmten Normen – egal ob dick, dünn, groß, klein, schwarz, braun oder weiß. Auf den Laufstegen und auf den Werbetafeln waren plötzlich realitätsnahe Frauenkörper zu sehen. Die Etablierung normaler weiblicher Körper wurde so in gewissem Sinn kommerzialisiert.

Backlash

Zwar sollten (weibliche) Körper nicht kommentiert werden und dennoch müssen wir den aktuellen Skinny-Trend kritisch betrachten. Denn, dass jetzt der dünne Frauenkörper als Ideal zurückkommt, ist problematisch und gesundheitsgefährdend, aber auch nicht verwunderlich, denn es ist die Gegenreaktion auf den Body-Positivity-Trend. Die Skinny-Influencerinnen gerieren sich teilweise als Opfer der Body-Positivy-Bewegung und zeigen sich nun beinahe befreit endlich wieder offen ihr Dünn-sein zu performen.

„Being skinny ist the Outfit“ – Die Disziplinierung des Körpers

Die Content-Creatorinnen sind manchmal sanft, manchmal forsch, aber immer halten sie ihre Follower*innen an, wenig zu essen, denn darum geht es: Um Optimierung. Um Disziplinierung. „Eat small be small, eat big be big“ ist der Leitspruch. Das gefährliche Versprechen ist, man müsse nur die richtige innere Haltung haben. Das geht immer mit einer Abwertung anderer Körpernormen einher. Viele der TikTok-Accounts, die das sogenannte „Skinny Girl Mindset“ verbreiten, sparen nicht an Häme und Schmähungen von Frauenkörpern, die nicht dünn sind. Sie werden mit Hunden, Orks oder Hulk verglichen, „du bist fett, weil du ein Messi bist“. Im Extremfall werden Essstörungen wie Magersucht und Bulimie verharmlost oder gar gefeiert.

Warum gerade jetzt dieser Trend?

Durch Abnehmspritzen wie Ozempic, ist es Menschen mit den entsprechenden finanziellen Ressourcen möglich, Gewicht zu verlieren, ganz ohne dafür asketische Diätpläne zu erfüllen oder sich in Fitnessstudios zu verausgaben. Auch Prominente, die bisher selbstbewusst dicke Körper repräsentiert haben, sind nun plötzlich dünn – dank Ozempic, Wegovy und Co..

Trends unterliegen immer eigenen Regeln und sind zyklisch. Aber besonders der aktuelle Skinny-Trend, der Disziplin und Verzicht predigt, ist eingebettet in eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung und ist damit auch politisch. Frauenrechte werden auf verschiedenen Ebenen angegriffen – besonders in den USA, wie etwa im Angriff auf das Recht auf Abtreibung. Autoritäre und patriarchale Systeme wollen Kontrolle über den weiblichen Körper ausüben und ihn kontrollieren.

Die Journalistin Anja Rützel schrieb im April im Spiegel: „Im konservativen bis reaktionären Klima, das sich immer mehr ausbreitet, gibt es ein diszipliniertes Ideal: ein Körper, der nicht ausufert, nicht überquillt, sondern seine Grenzen kennt und einhält. Es passt gruselig gut zu den trumpschen Beschneidungen der Frauenrechte, dass sich die weiblichen Trendkörper selbstständig auch physisch klein machen.“

Auch rein optisch nimmt der immer dünner werdende Frauenkörper weniger Raum in der Öffentlichkeit ein. Während der ideale männlich gelesene Körper nur so vor Muskelkraft strotzt, was ebenfalls ein problematisches Schönheitsideal ist, sollen Frauen und Mädchen sich in Verzicht üben, weniger Nährstoffe zu sich nehmen und sich mit Nahrungsergänzungsmitteln aushelfen. Es ist ein Ideal eines schlaffen, kraftlosen Körpers – der letztendlich auch nicht mehr aufbegehren kann. Allerdings werden Frauenkörper, die nicht gängigen Schönheitsidealen entsprechen, wie etwa Schwarze, PoC, queere Menschen und behinderte Frauen, noch auf ganz anderen Ebenen mit strukturellen Hindernissen an der politischen Teilhabe gehindert.

 

Wenn du Probleme mit deinem Essverhalten hast oder jemand, der dir nahe steht, Hilfe dazu benötigt, kannst du dich an die telefonische Seelsorge wenden: 0800 1110111. Diese ist anonym, rund um die Uhr besetzt und gebührenfrei.

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